Wenn Patientinnen mit Brustkrebs im niedergelassenen Bereich der Physikalischen Medizin und Rehabilitation (PMR) zugewiesen werden, haben sie zumeist eine multimodale Therapie im Krankenhaus und in spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen der Sozialversicherungen durchlaufen.

Für viele Patientinnen bedeutet es eine hohe Belastung, in einen krankheitsgeprägten Lebensabschnitt eingetreten zu sein, sodass es ganz wesentlich ist, dass die Patientinnen in einem guten Netzwerk von Ärzten und Therapeuten aufgefangen werden, damit das therapeutische Angebot adaptiv an die aktuelle gesundheitliche Situation angepasst werden kann.

Ziel der physikalisch-onkologischen Rehabilitation ist es, sowohl die krankheits- wie auch die therapiebedingten Auswirkungen der Krebserkrankung hinsichtlich einer dauerhaften, körperlichen Schädigung (Impairment) der Beeinträchtigung der Fähigkeit, Aktivitäten des täglichen Lebens durchzuführen (Disability) wie auch soziale Beeinträchtigungen aufgrund der körperlichen und psychischen Belastung (Handicap) zu verhindern oder in ihren Auswirkungen abzumildern.

Das vielfältige Angebot der Österreichischen Krebshilfe und der Selbsthilfegruppen sowie das Vermeiden von ständig wechselnden Ansprechpartnern sind für die Vertrauensbildung und die Compliance-Erhaltung im Sinne eines Selbst-Empowerments der Betroffenen besonders wichtig.

Wann erfolgt die Zuweisung?

Zumeist werden die Patientinnen der Physikalischen Medizin zugewiesen, wenn folgende Probleme im Vordergrund stehen:

  • Inaktivitätsatrophie/Dekonditionierung
  • Fatiguesyndrom (Tagesmüdigkeit und Erschöpfung)
  • Lymphödeme
  • verschiedene Folgen der Strahlen und/oder Chemotherapie wie
    • Polyneuropathien
    • Narbenadhäsionen
    • Sexualprobleme

Umfassende Aufklärung

Auch für den physikalischen Facharzt stehen die Anamnese und die Beschreibung der Hauptprobleme im Mittelpunkt, wobei Fragen nach Ernährungsgewohnheiten und alternativen Therapieverfahren, die die Patientin anwendet, Teil der Gesamtbeurteilung darstellen.
Vor allem bei Mangelernährung ist eine entsprechende Ernährungsberatung vorzuschlagen. Ein wesentlicher Teil der vertrauensbildenden Maßnahmen ist die wertneutrale Beratung und umfassende Aufklärung über Nutzen oder möglichen Schaden von alternativen Therapieverfahren.

Die Physikalische Medizin bietet eine Vielzahl passiver und aktiver Methoden, die unterstützend zur pharmakologischen, radiologischen oder chemotherapeutischen Therapie auch im niedergelassenen Bereich angewendet werden können. Sie umfassen Massagetechniken, manuelle Dehnungen, Kälte- und Wärmeapplikationen wie auch verschiedene Formen der Entstauungstherapie oder Techniken zur Narbenentstörung. So steht eine ganze Reihe von bekannteren als auch weniger bekannten elektrotherapeutischen Maßnahmen wie zum Beispiel die Reizstromtherapie (z. B. Tens, Indiba), die Hochtontherapien neben gängigen Formen wie Schwellstrom und Galvanisation zur Verfügung, um effektiv und effizient zur Schmerztherapie, Narbenentstörung, Ödembehandlung, bei Polyneuropathien und zum Muskelaufbau unterstützend eingesetzt zu werden.

Mehr Compliance durch Heimtherapie

Der Facharzt für Physikalische Medizin kennt eine Reihe von Heimtherapiegeräten, die den Patientinnen angeboten und, von ihm angeleitet, auch zu Hause bei Schmerzen, Polyneuropathien, Lymphödemen und zur Muskelkräftigung angewendet werden können.
Das entlastet viele Patientinnen, die sich im Arbeitsprozess befinden oder lange Anfahrtswege für eine Therapie aufgrund der Grunderkrankung sehr erschöpfend empfinden und daher möglicherweise eine mangelnde Compliance aufweisen würden.

Das zentrale Therapieangebot der PMR ist die Bewegungstherapie, wobei hier in Zusammenarbeit des Facharztes mit den niedergelassenen Therapeuten individualisierte, aktive bewegungstherapeutische Programme eine Verbesserung der Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer zum Ziel haben.
Neben den körperlich-motorischen stehen auch die emotionalen und sozialen Aspekte der Bewegungstherapie im Vordergrund. Gerade bei Mammakarzinom-Patientinnen kann ein gezieltes körperliches Training das oft als Tabuthema verdrängte negative Körperschema positiv beeinflussen.
Die Bewegungstherapie wird evidenzbasiert auch zur Osteoporoseprophylaxe sowie bei Fatiguesyndrom eingesetzt und hilft, depressive Verstimmungen und Depressionen zu mildern.

Auch Patientinnen mit weit fortgeschrittenem Tumorstadium können ein Ausdauertraining durchführen.

Es werden sogar positive Auswirkungen auf das Immunsystem in einigen Studien postuliert. Weder die Neutropenie unter 20 x 104/l noch ein HB > 8 g/dl stellen eine Kontraindikation für ein Training dar. Ebenso sind gut eingestellte chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie etc. keine Kontraindikation bei entsprechender Adaptation der Trainingsintensität.
Bei Knochenmetastasen ist die Frage der Spontanfrakturen jedenfalls im Auge zu behalten und eine entsprechende Trainingsadaptation vorzusehen. Die Therapie dieser Patientinnen ist zumeist spezialisierten PMR-Instituten vorbehalten.

Betroffenen Mut machen

Teil der Bewegungstherapie ist die Atemtherapie, um zum Beispiel muskuläre Verspannungen zu lösen oder auch durch gezielte Anleitung parasympathisch modulierend wirken zu können. Dies ist bei den häufig auftretenden Angst- oder depressiven Verstimmungen ein wichtiges therapeutisches Modul, das die Patientinnen zu Hause weiter anwenden können. HRV-Messungen (Herzratenvariabilität) zur Beurteilung des Vegetativums werden in spezialisierten Praxen der PMR als komplementärmedizinisches Therapiekonzept angeboten. Zur Wahrnehmung von Verspannungen ist das Biofeedback (EMG-Messung, Atemfrequenzkontrolle, Hautleitwert) ein gutes audiovisuelles Modul der Therapie.

Die moderne onkologische Therapie hat bereits enorme Fortschritte hinsichtlich des qualitativen und quantitativen Überlebens bei Krebserkrankungen ermöglicht. In Österreich gibt es ein gutes institutionelles Angebot des Sozialversicherungssystems sowohl mit organspezifischen Rehabilitationszentren wie auch symptomspezialisierten, zum Beispiel zur Behandlung von Lymphödemen in „Lymphologischen Zentren“ (z.B. Wolfsberg, Walchsee). Seit Kurzem gibt es für Patienten, die im Arbeitsprozess stehen oder durch andere Gründe (z. B. Pflegeangehörige) einen kontinuierlichen, ununterbrochenen Rehabilitationsaufenthalt nicht bewältigen könnten, eine ambulante onkologische Rehabilitation.
Diese großen Fortschritte des therapeutischen Angebotes sollen den Betroffenen Mut machen, sich durch ihre Krankheit in ihrem Leben nicht zu stark einschränken zu lassen.